Stimmig

Bin ich hier richtig?

Ein Blick von der Türschwelle in den Raum löst die Frage in mir aus. Und sofort ist da ein Gefühl, eine körperliche Resonanz zur Situation: Was erwartet mich hier (in diesem Workshop, in dieser Beratung, in diesem Training, der Lehre, dem Kurs)? Wer bin ich hier – im Verhältnis zu den Menschen, der Aufgabe, dem Geschehen, dem Raum, dem Kontext – alles zusammen wirkt auf mich. Das Empfinden kann ich nicht vorweg nehmen, es entsteht in der Situation. Was ich beeinflussen kann, ist meine Reaktion: Was mache ich mit dieser Empfindung? Wie gehe ich damit um? Wie deute ich sie?

Der erste Schritt ist es, das Empfinden überhaupt wahrzunehmen. Oft bin ich in Situationen hineingegangen und habe mich im Nachhinein gefragt, was da los war oder auch warum alles so rund lief. Welchen Einfluss habe ich darauf? Zuallererst bin ich mit mir selbst in Kontakt und übe immer mehr, gut zu mir zu sein. Z.B. indem ich mir sage: Dies ist ein neuer Kontext, du darfst aufgeregt sein. Oder: Ich bin gut vorbereitet, was jetzt passiert, liegt nicht allein an mir und in meiner Hand. Loslassen und mich aufmerksam der Situation überlassen ohne mich auszuliefern. Die unmittelbaren Empfindungen und körperlichen Reaktionen kann ich nicht steuern, ich kann lernen, sie wahrzunehmen und ihnen freundlich und achtsam zu begegnen. Ja, mehr noch: Ich kann ihnen vertrauen, sie täuschen mich selten. Ich kann hinspüren und fragen, was sich da in mir zeigt. Manchmal sind es körperliche Symptome wie ein Räuspern, Herzklopfen, ein mulmiges Gefühl im Bauch. Vielleicht interpretiere ich das bereits als Aufregung oder Angst. Hier möchte ich lernen, einen Schritt zurückzutreten und meine ersten Deutungen beiseite zu legen und ganz ahnungslos und unvoreingenommen zu sein. Und mich dann im Kontakt mit mir überraschen lassen: Ah, da ist auch so etwas wie Vorfreude oder da ist noch ein Teil, der die Angst wahrnehmen und beschützen kann. All dies hilft mir in eine Stimmigkeit zu kommen.

Wie bin ich gestimmt? Wie ist die Stimmung in mir? Wie klingen die verschiedenen Stimmen/ Stimmungen miteinander? Das sind ganz typische Fragen im Focusing-Prozess. Es ist nicht immer harmonisch in mir, „es“ möchte gehört werden, das macht den Unterschied aus.

Bin ich hier richtig? Wie bin ich hier? Bei einem Planungstreffen, an dem ich vor Kurzem teilgenommen habe, sagte eine Beteiligte am Ende: Die Frage stelle ich mir jetzt nicht mehr. Ich bin immer richtig da, wo ich bin. Ich bin immer richtig, da wo ich bin. Mit mir stimmig sein, das macht mich unabhängiger von den Situationen. Ich kann mich entscheiden, wie ich auf den Klang in mir reagiere. Nicht jede Umgebung oder Situation tut mir gut. Auch das zu bemerken, ist ein Schritt zur inneren Stimmigkeit. Vielleicht bin ich nicht immer in der Lage, das sofort zu verändern oder daraus die passenden Konsequenzen zu ziehen. Ich wünsche mir Neugier auf neue Situationen: Neugier auf die Menschen und Neugier auf die Empfindungen in mir.

 

Photo by Paul Schulze on flickr CC BY-NC-SA 2.0

6 Kommentare zu „Stimmig

  1. Liebe Christiane,
    ein verlockender Satz: ‚Ich bin immer richtig, da wo ich bin‘. Für mich beinhaltet er zu allererst, ein Bekenntnis zu mir – ich fühle mich richtig, eigentlich egal wo ich bin. Aber es ist auch ein Bekenntnis zu dem Ort an dem ich gerade bin – ich habe ihn ausgesucht, also bin ich da richtig. Beides kann ich nicht immer so einfach sagen. Manchmal fühle ich mich nicht richtig, sondern lasse mir den Blick durch die Augen der anderen aufdrängen, die da sagen, ich sei falsch, mache etwas falsch. Manchmal ist aber auch der Ort nicht richtig, an dem ich bin, denn ich habe nicht richtig auf mich aufgepasst und nicht rechtzeitig „nein“ gesagt. Je älter ich werde, desto mehr überwiegen die Momente, in denen ich diesen Satz so sagen kann, aber es gibt auch immer wieder die anderen Momente. Aber das Bewußtwerden einer solchen Situation ist schon mal ein guter Ansatz und der nächste ist dann das versöhnliche, achtsame Umgehen mit sich selbst gerade in einer solchen Situation. Danke für Deinen Denkanstoß und auch mal wieder das wunderbare Bild.
    Liebe Grüße
    Anne

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    1. Danke, liebe Anne, für das Aufgreifen und Weiterdenken meiner Gedanken. Ja, ich gerate auch immer wieder in Situationen, wo ich das nicht so klar und sofort bemerke. Die Achtsamkeit schulen und gut mit mir sein – das möchte ich auch.
      Liebe Grüße
      Christiane

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  2. Liebe Christiane,
    vielen Dank für diese Einladung zum Horchen auf die innere Stimme! 🙂 Ob ich nun mitschwinge oder vielleicht in Disharmonie zu den Klängen im Raum und mit meinen Mitmenschen bin, diese Musik hilft mir zur Orientierung.
    Herzliche Grüße
    Ulrike

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    1. Liebe Ulrike, ja, horchen und mitschwingen – vielleicht auch mal gegen den Sound der anderen. Ganz bei mir sein und bei den anderen – das ist mein Wunsch.
      Danke für das Miteinstimmen!
      Liebe Grüße
      Christiane

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