Am Anfang wagten wir noch zu hoffen,
dass es anders kommt,
aber nun ist es geschehn.
Wir können es noch nicht verstehn,
vieles bleibt im Dunkeln,
wenn wir noch einmal an den Anfang gehn.
Lange Zeit war alles Harmonie,
die Stimmung gut, die Zeit auch schön,
sonntags haben wir uns gesehen
und gedacht, da stimmte die Chemie.
Für die einen schleichend,
für die anderen plötzlich
wurde Misstrauen aufgebaut,
Zweifel machte sich breit,
Vorwurf wurde laut –
aus Heiterkeit,
und Trausamkeit –
wurde stattdessen Streit.
Wir können es noch nicht verstehn,
vieles bleibt im Dunkeln,
ungesagt und ungesehen
auf dem Scherbenhaufen der Gefühle
tief verborgen in unsrer Seele.
Doch da ist dieser Schmerz.
Wir tun alles dafür
ihn nicht zu fühlen,
verleugnen unser Herz;
verschließen unsere Augen,
finden Ausreden und wühlen
in anderer Geschichten,
suchen Schuldige, die taugen,
um sie zu richten
und zu schicken,
als Bock in die Wüste.
Wir zeigen mit dem Finger auf die andern.
Die andern zeigen auf uns zurück.
Wir drehen uns im Kreise
manche tun es leise,
andere zetern, klagen, proben die Revolte,
bis sie heiser sind und
leiser werden und – verstummen.
Im Innern sind wir alle allein.
Wir haben ihn noch immer nicht gefühlt,
den Schmerz des Zerbruchs.
Die klaffende Wunde
und im Grunde unseres Herzens
spüren wir sie nicht zum ersten Mal.
Eigentlich ist er wohlvertraut,
der Schmerz und auch die Angst
in unserm Innern aufgestaut.
Hier trifft uns was am wunden Punkt,
doch der ist gut versteckt,
tief vergraben
und wir haben entdeckt:
Mit dem Schutzpanzer lebt es sich ganz gut.
Doch dieser Schutz hält alles ab,
alle Gefühle, auch die schönen,
und so können wir uns nicht versöhnen,
weil wir abgestumpft sind
vom Sediment der toten Schichten
aus Verletzung, Einsamkeit und Scham –
und mitnichten
packen wir das alles auf den Tisch,
denn dann bräche Wut sich ihre Bahn.
Doch die Falle schnappt zu,
und im Nu ist der Streit besiegelt.
Der Tiegel der unterdrückten Gefühle
brodelt und läuft bedrohlich über
in den Abgrund zwischen uns.
Jetzt kommt niemand mehr hinüber.
Und während wir so streiten,
zetern, zagen, klagen bis wir schweigen,
und still leiden,
kommt einer dazu.
Wir wissen nicht woher,
ist einfach da und wir
spüren nur, von dem geht etwas aus,
was irritiert und liebt zugleich.
In uns wird zaghaft etwas weich.
Worüber streitet ihr?,
fragt er.
Wir holen tief Luft
beschreiben die Kluft
aus Meinungen, Ansichten und Themen,
die vermeintlich so wichtig,
die uns spalten,
und so viel Raum einnehmen,
wir können kaum an uns halten –
und der eine schweigt,
beugt sich hinunter,
schreibt mit dem Finger
in den Sand.
Irritiert fragen wir uns,
was das bedeuten soll.
Wir halten die Wut in der geballten Faust
und schütteln die Köpfe,
die ersten wenden sich ab und gehen.
Doch der eine ist noch da,
er bleibt, bis die ersten Tränen fließen.
Und jemand sagt:
Ich bin so verletzt, es tut so weh.
Da richtet er sich auf,
sieht den Schmerz.
Dieser Blick trifft in das Herz.
Hier wird alles offenbar,
doch niemals bloßgestellt,
niemand verurteilt
und nichts richtig gestellt.
Es darf sein,
all die Wut und die Trauer.
All das Zerstörte
und sogar das Ungehörte
was keiner weiß,
auch das Verborgene hat einen Platz.
Es darf sein,
unter seinen liebevollen Augen,
die sagen:
Ich bin da – ich sehe dich.
Und sein Blick geht in die Runde:
und dich auch,
und auch dich
und dich.
Es ist wie Balsam auf die Wunde.
Er reicht uns seine Hand.
Das versteinerte Herz beginnt zu schmelzen,
die Wut tropft aus den jetzt geöffneten Händen.
Alles darf sein, nichts muss sich verbergen,
so ist es gesehen zu werden.
Wir bergen uns in seinem Blick
und greifen seine ausgestreckte Hand.
Da spüren wir seine Wunden,
die Hände sind durchbohrt.
Wir schrecken kurz zurück,
doch fühlen uns verbunden,
hier ist der Ort der Erlösung.
In uns wächst Dankbarkeit
über das geteilte Leid,
von ihm durchlitten und überwunden.
Unser Herz ist berührt.
Auf wundersame Weise schürt
seine Liebe in uns ein Feuer
und heilt ganz langsam unsern Schmerz.
Es ist seine Hingabe, die uns erneuert.
In seiner Hand
berühren wir auch einander.
Wie viel Zeit ist vergangen,
ist es eine Stunde oder ein Jahr?
So stehen wir da.
nah beieinander.
Wir schauen uns in die Augen
und glauben uns unseren Glauben
Wir sitzen wieder in einem Boot.
Da bricht er das Brot.
Preacher Slam – vorbetragen bei der Bundeskonferenz des BEFG am 17. Mai 2023 in Kassel (ab ca. 50. Minute).
Foto von Daniel Tafjord auf Unsplash
Wunderschön!
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Danke!
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