unerträglich

Das Kreuz

Ich möchte schreien,
es ist nicht auszuhalten und nicht mitanzusehen.
Auch damals liefen alle Freunde davon.

Manche sagen, das hat nichts mit mir zu tun,
was geht mich das an.
Auch damals wusch einer seine Hände in Unschuld.

Manche haben nur Spott und Hohn dafür übrig.
Auch damals verachteten und verschmähten ihn
die Häscher und sogar die mit ihm Verurteilten.

Manche haben Spaß daran
und schlagen noch Profit daraus.
Auch damals warfen sie die Würfel
um das letzte Stück Stoff.

Ich bleibe hilflos zurück,
stehe da, kann nichts machen.
Auch damals verharrten Frauen am Fuße des Kreuzes
und mussten seinen Tod erleiden.

Das Kreuz
eine Torheit
unverständliche Gewalt
niederschmetterndes Ende des erhofften Helden
Dunkelheit und Schmerz
Es lässt sich nicht schönreden

Was hat das mit mir zu tun?
Mit meinem Schmerz
mit meiner Wut
mit meiner Feigheit
mit meiner Hoffnungslosigkeit
mit meinem Sterben?

Jesus hing mit mir am Kreuz.

Das ändert alles.

Dort hängt auch
mein Schmerz
mein Hass
meine Verzweiflung
meine Mutlosigkeit
mein Verlassensein

Jesus nimmt das alles mit in den Tod.
Und verwandelt es.


Photo by Rui Silva sj on Unsplash

Herzensdialog

Mein Herz, du fragiles kleines Wesen. Danke, dass es dich gibt.
Nimm Raum in mir. Du darfst wachsen, stark werden und meinen ganzen Körper mit Wohlwollen und Kraft versorgen. Pumpe Liebe und Barmherzigkeit durch meine Adern.

Da bin ich. Ich bin viel stärker, als du denkst. Ich bin da, um für dich zu schlagen. Unaufhörlich. Jeden Tag. Jeder Atemzug hält mich und dich am Leben.

Sag mir etwas vom Leben.

Sei still und erkenne.
Dein Spiegelbild.

Ich sehe mich nicht besonders gerne an.

Ich weiß. Deswegen übersiehst du mich auch so oft. Du kannst tiefer schauen. In deine Augen und dahinter. Dort liegt das Geheimnis.

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Komm

Dies ist für alle Kinder, auch die inneren, wenn sie sich verloren, traurig, beschämt, verletzt und einsam fühlen.

Komm und berge dich

Komm an meine Hand
ich begleite dich.

Komm in meine Arme
ich halte dich.

Komm an meine Brust
ich nähre und wärme dich.

Komm auf meinen Schoß
bei mir bist du sicher.

Komm lehn dich an
ich streichle dich.

Komm und weine
ich tröste dich.

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gesehen

diese Sehnsucht spricht aus jedem Blick
bedürftige Augen
ungestillter Hunger nach Liebe, Aufmerksamkeit und Wertschätzung
Gib mir mehr davon!
sagen sie.
HIER bin ich!
rufen sie.
Sieh mich doch an!

Wie fühlt es sich an
bis auf den Grund
gesehen
zu werden?

Tief hinein
fällt der Blick der Liebe.
Zuerst ein Erzittern und Erschaudern.
Ein Hauch Misstrauen und Angst.

Der Blick bleibt beständig
wendet sich nicht ab
auch wenn dabei alles zu Tage kommt:
aller Zerbruch
alle Scherben
alle Wunden
alle Schmerzen
alle Schreie
alle Hilflosigkeit
alles Ausgeliefertsein
alles Kämpfen

Keine Scham
Kein Weglaufen
Kein Schutz
mehr nötig.

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Vertrauen

Vertrauen

  • ist wie eine unvoreingenommene Umarmung
  • ist wie ein Samenkorn, das gepflanzt wird, ohne zu wissen, was es werden wird
  • ist wie der nächste Schritt, ohne die Richtung oder das Ziel zu kennen
  • heißt mich am offenen Fenster weit hinauszulehnen
  • heißt mich mit offenen Armen zu überlassen
  • heißt die Trittsteine im Wasser nicht zu sehen und trotzdem zu gehen
  • heißt, einen dunklen Weg zu gehen ohne Angst
  • heißt loszulassen, was mich festhält
  • heißt mutig ins Ungewisse zu springen

Vertrauen
ist gefährdet
wird missbraucht
ist brüchig
ist dünn
ist riskant „Vertrauen“ weiterlesen

Alltagsbeobachterin

Ich bin formschön gestaltet. Aus Metall. Bronzefarben erstrahle ich, wenn das Licht auf mich fällt. Meine Oberfläche ist glatt und kühl. Rund bin ich zu einer Schale geformt. Meistens bin ich still, warte ab. Ich kann ganz geduldig sein. Ich nehme einfach wahr. Ich nehme auf, was um mich herum passiert. Es ist, als ob ich aus einem großen Ohr bestünde. Und dann, wenn jemand mich berührt, kurz und schwungvoll, entfalte ich meinen Klang! Aus der Tiefe meines Körpers kommt der Ton, facettenreich, angereichert mit hohen und tiefen Anteilen. Sehr rein, klar. Erst laut, der Ton klingt lange nach und schwingt und summt und verhallt. Ich vibriere, mein ganzer Körper erzittert wohlig. Wenn Klang und Bewegung verebbt sind, bin ich wieder still, aufmerksam, gelassen, ruhe auf meinem Kissen. Halte inne und horche hin, was um mich herum geschieht.

Still
verharre ich
Warte auf den
Moment des schwungvollen Anschlags
Erregt

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Stimmig

Bin ich hier richtig?

Ein Blick von der Türschwelle in den Raum löst die Frage in mir aus. Und sofort ist da ein Gefühl, eine körperliche Resonanz zur Situation: Was erwartet mich hier (in diesem Workshop, in dieser Beratung, in diesem Training, der Lehre, dem Kurs)? Wer bin ich hier – im Verhältnis zu den Menschen, der Aufgabe, dem Geschehen, dem Raum, dem Kontext – alles zusammen wirkt auf mich. Das Empfinden kann ich nicht vorweg nehmen, es entsteht in der Situation. Was ich beeinflussen kann, ist meine Reaktion: Was mache ich mit dieser Empfindung? Wie gehe ich damit um? Wie deute ich sie?

Der erste Schritt ist es, das Empfinden überhaupt wahrzunehmen. Oft bin ich in Situationen hineingegangen und habe mich im Nachhinein gefragt, was da los war oder auch warum alles so rund lief. Welchen Einfluss habe ich darauf? Zuallererst bin ich mit mir selbst in Kontakt und übe immer mehr, gut zu mir zu sein. Z.B. indem ich mir sage: Dies ist ein neuer Kontext, du darfst aufgeregt sein. Oder: Ich bin gut vorbereitet, was jetzt passiert, liegt nicht allein an mir und in meiner Hand. Loslassen und mich aufmerksam der Situation überlassen ohne mich auszuliefern. Die unmittelbaren Empfindungen und körperlichen Reaktionen kann ich nicht steuern, ich kann lernen, sie wahrzunehmen und ihnen freundlich und achtsam zu begegnen. Ja, mehr noch: Ich kann ihnen vertrauen, sie täuschen mich selten. Ich kann hinspüren und fragen, was sich da in mir zeigt. Manchmal sind es körperliche Symptome wie ein Räuspern, Herzklopfen, ein mulmiges Gefühl im Bauch. Vielleicht interpretiere ich das bereits als Aufregung oder Angst. Hier möchte ich lernen, einen Schritt zurückzutreten und meine ersten Deutungen beiseite zu legen und ganz ahnungslos und unvoreingenommen zu sein. Und mich dann im Kontakt mit mir überraschen lassen: Ah, da ist auch so etwas wie Vorfreude oder da ist noch ein Teil, der die Angst wahrnehmen und beschützen kann. All dies hilft mir in eine Stimmigkeit zu kommen.

Wie bin ich gestimmt? Wie ist die Stimmung in mir? Wie klingen die verschiedenen Stimmen/ Stimmungen miteinander? Das sind ganz typische Fragen im Focusing-Prozess. Es ist nicht immer harmonisch in mir, „es“ möchte gehört werden, das macht den Unterschied aus.

Bin ich hier richtig? Wie bin ich hier? Bei einem Planungstreffen, an dem ich vor Kurzem teilgenommen habe, sagte eine Beteiligte am Ende: Die Frage stelle ich mir jetzt nicht mehr. Ich bin immer richtig da, wo ich bin. Ich bin immer richtig, da wo ich bin. Mit mir stimmig sein, das macht mich unabhängiger von den Situationen. Ich kann mich entscheiden, wie ich auf den Klang in mir reagiere. Nicht jede Umgebung oder Situation tut mir gut. Auch das zu bemerken, ist ein Schritt zur inneren Stimmigkeit. Vielleicht bin ich nicht immer in der Lage, das sofort zu verändern oder daraus die passenden Konsequenzen zu ziehen. Ich wünsche mir Neugier auf neue Situationen: Neugier auf die Menschen und Neugier auf die Empfindungen in mir.

 

Photo by Paul Schulze on flickr CC BY-NC-SA 2.0

Verbunden

Wenn ich mit mir verbunden bin,
kann ich alles machen.

Wenn ich mit mir verbunden bin,
ist da kein Druck.

Wenn ich mit mir verbunden bin,
kann es fließen.

Wenn ich mit mir verbunden bin,
spüre ich Tiefe.

Wenn ich mit mir verbunden bin,
ist da Leichtigkeit.

Wenn ich mit mir verbunden bin,
kann ich alles.

Nichts muss.
Lassen.
Mich
so
wie
ich
bin.

 

 

Photo by Tadeu Jnr on Unsplash

Tanzrausch

geführt
berührt
gefallen und
auferstanden
bewegt
berührt
geführt
gefolgt und
gefangen

Neu belebt
frisch geschlüpft
hoch gehoben
und aufgefangen
mitgerissen
stehen geblieben
neu entfacht
entzündet
entflammt
brennend
in die Nacht

zärtlich berührt
verführt
eingewickelt und
umhüllt
hell erleuchtet
bunt geschmückt
vertraut

aufgehalten
angehalten
losgetreten
entfesselt
erkämpft und
gewonnen

hungrig
nach Leben
leer ausgegangen
verdurstet
zerronnen
versickert und
versackt

sprudelnd
tropfend
quellend und
erhellend
Mut getrunken
Freiheit gesoffen
Ekstase
Tränen
fließen
alles zuckt und
webt

gelebt
geliebt
vertraut
gefunden
losgelassen
frei
wie eine Feder
fliegen
schweben
weben
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