Emotionaler Muskelkater

Wenn ich nach längerer Zeit mal wieder Sport treibe und mich dabei gleich hart überanstrenge, dann habe ich am nächsten Tag Muskelkater. Die Muskeln sind es nicht mehr gewohnt, bestimmte Bewegungen auszuführen und wurden einfach lange nicht mehr so ausdauernd beansprucht. Manchmal ist der Muskelkater sogar am zweiten Tag nach dem Sport schlimmer als am ersten.

Ich kenne emotionalen Muskelkater gut. Da liegt eine Zeit intensiver Begegnungen hinter mir. Ich habe viele Menschen getroffen, Gespräche geführt, selbst etwas beigetragen wie z.B. einen Workshop geleitet oder einen Vortrag gehalten. Ich war im Kontakt, habe Resonanz gespürt, Reaktionen erhalten. Manchmal bin ich wie in einem Rausch von emotionalen Zuständen, die sich schnell abwechseln können. Ich liebe es normalerweise in der Menge zu baden und viele Menschen um mich zu haben. Je nach Gruppe fallen die Emotionen jedoch ganz unterschiedlich aus. In einer vertrauten Gruppe genieße ich das Zusammensein, fühle mich wohl, kann mich fallenlassen, muss nicht darüber nachdenken, was ich sage, wie ich mich verhalte, weil ich weiß, dass ich so angenommen bin, wie ich bin. Es gibt andere Zusammensetzungen, in denen ich von Anfang an mehr Anspannung spüre, ein latentes inneres Beobachten dabei ist, eine gewisse Hab-Acht-Stellung, was sich in angespannten Muskeln auch körperlich bemerkbar macht. Diese Körperreaktion kann sehr hilfreich sein, weil sie mich auf etwas aufmerksam macht. Sie zu deuten, ist allerdings nicht mehr so eindeutig. Lauert hier wirklich eine Art von Gefahr im Raum? Oder reagiert mein Körper auf Trigger, die mit etwas Anderem, etwas ganz Altem in mir zu tun haben? Oft gelingt es mir nicht, das in der Situation sofort zu unterscheiden.

Am nächsten Tag oder an den Tagen nach intensiven Begegnungen kommen dann die Nachwirkungen. Sie zeigen sich einerseits im Nach-Denken: Was habe ich gesagt? War das passend? Habe ich mich im Ton vergriffen? Und wie hat mein Gegenüber reagiert? Was hat er oder sie geantwortet? Und war da nicht noch etwas anderes in den Augen zu sehen oder in der Körperresonanz zu spüren? Wen habe ich übersehen? Bin ich allen gerecht geworden? War ich zu offen, habe ich zu viel von mir preisgegeben? Hatte ich eine zu lockere Zunge? Passte die Wortwahl? Bin ich meiner Rolle gerecht geworden? Und während die Gedanken so kreisen, verspannt sich andererseits mein Körper immer mehr. Die Anspannungen, die in der Situation vielleicht schon da waren, werden noch einmal intensiviert. Oder sogar, wenn ich mich in der Situation stimmig und gut gefühlt habe, kommen manchmal solche Gefühle im Nachhinein, die mich in Frage stellen. Das bemerke ich vor allem, wenn ich zur Ruhe komme, also in der Meditation oder wenn ich ins Bett gehe. Das Geratter im Kopf legt richtig los und der Körper spürt die Verausgabung durch die Anstrengung. Emotionaler Muskelkater.

Wenn es soweit gekommen ist, dann stecke ich schon mitten drin und kann den Schmerz oder die Überanstrengung nicht mehr rückgängig machen. Hilfreich kann dann sein, die Gefühle „zu Ende zu fühlen“. D.h. noch einmal innerlich in diese Situation zu gehen und die Anspannung zu fühlen, um sie dann bewusst zu lösen, indem ich dem Körper die Signale gebe: Jetzt bist Du sicher, es passiert Dir nichts, die Gefahr ist vorüber. Das kann ich auch damit unterstützen, dass ich Freiraum im Körper herstelle. Diese Focusing-Technik ist der erste Schritt im Focusing-Prozess. Ich suche eine Stelle in meinem Körper, an der ich mich wohlfühle, die sich gut anfühlt oder die von allen schmerzhaften Stellen am wenigsten schmerzhaft ist. Ich beschreibe diese Stelle und lasse sie größer werden, indem ich dorthin atme und das Wohlige und Angenehme sich ein wenig mehr im Körper ausbreiten lasse.

Eine andere Möglichkeit, den Muskelkater abzubauen, wäre das körperliche Schütteln. Wir kennen es aus der Tierwelt. Wenn ein Tier eine große Anspannung durchgemacht hat, einer lebensbedrohlichen Gefahr ausgesetzt war und sich dann wieder in Sicherheit befindet, reagiert der Körper mit einem Schüttern oder Zittern. Die große Anspannung entlädt sich in diesem Zittern, so dass wieder eine Entspannung und ein muskulärer Normalzustand eintreten kann. Es gibt die Technik des neurogenen Zitterns (TRE = Tension and Trauma release exercises), mit dem der Körper die angestaute Anspannung muskulär abbauen kann. So gelangt der Körper wieder in einen entspannten Zustand, der zu Wohlbefinden und Ruhe führt.

Mit diesen Übungen auf der körperlichen Ebene wird die Aufmerksamkeit auf das Körperempfinden im Hier und Jetzt gelenkt. Damit wird das Kreisen um das Vergangene gestoppt und die Gedanken kommen zur Ruhe. Langfristig kann es hilfreich sein, sich noch andere Techniken und Methoden anzueigenen, das Gedankenkreisen zu unterbrechen. Darüber hinaus halte ich es auch für sinnvoll, nicht nur Techniken anzuwenden, sondern mich intensiv mir selbst und den tieferen Ebenen meiner Wahrnehmung und Empfindung zuzuwenden. Für mich ist das ein Einüben in einen wohlwollenden und liebevollen Kontakt mit mir selbst. So trainiere ich meine emotionalen Muskeln und bekomme weniger emotionalen Muskelkater.

Foto by Dirk Henkel

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RaumEntfaltung

Ich träume von einem Raum,
in dem ich atmen und mich entfalten kann,
ein sicherer Raum (safe space), in dem ich nicht angegriffen werde,
sondern noch unfertige Gedanken ungeschützt äußern kann.

Ich träume von einem Raum,
der, wenn er an Grenzen stößt, sich öffnen kann für das, was andere haben oder tun,
und ich mich nicht bedroht abschotten muss.

Ich träume von einem Raum,
in dem auch die Verletzlichkeit ihren Platz hat,
ich sie nicht verbergen muss, sondern sie wie ein Türöffner wirkt,
so dass auch andere diesen Raum in sich öffnen können.

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Teebeutelweisheiten

Nichts ist wie Du,
nichts war wie Du,
nichts wird je wie Du sein.

Während einer meiner Workshops der letzten Wochen mache ich mir eine Tasse Tee und finde diese Teebeutelweisheit. Sie spricht mitten hinein in mein Leben, über das ich gerade wieder viel nachdenke: Wohin geht die Reise? Was lasse ich hinter mir? Wie wird das Neue sein? Was nehme ich mit?

Und dann die überraschende Antwort: ich selbst. Nichts ist wie ich. Ich nehme mich mit. Mit allem, was zu mir gehört. Während ich immer wieder darüber nachdenke, wo mein Platz ist, entdecke ich ebenfalls überraschend: Hier. Mein Blog ist einer meiner Plätze, an denen ich ich sein kann. Natürlich nie mit allem, was mich ausmacht, das ließe sich auch nicht auf einer digitalen Schreibplattform ausdrücken! Dieses Schreiben bringt mich in Kontakt mit mir, ich gehe der Spur nach zu meinem Inneren, zum Lebendigen.

„Teebeutelweisheiten“ weiterlesen

Edelsteine

In der Höhle sein.
Auf den Grund des Höhlensees schauen.
Es glitzert von Edelsteinen.
Sie liegen verborgen auf dem Grund des Sees.
Sie glitzern.
Reich und erfüllt.
Wertvoll.

Woher kommt das Licht?
Ich blicke nach oben.
Eine große Öffnung in der Höhlendecke
wird sichtbar.
Licht flutet die Höhle.
Ich stelle mich in
das göttliche Licht der Erkenntnis.
Es durchstömt mich
fließt durch mich hindurch
bis auf den Grund meiner Seele.

„Edelsteine“ weiterlesen

Vertrauen

Vertrauen

  • ist wie eine unvoreingenommene Umarmung
  • ist wie ein Samenkorn, das gepflanzt wird, ohne zu wissen, was es werden wird
  • ist wie der nächste Schritt, ohne die Richtung oder das Ziel zu kennen
  • heißt mich am offenen Fenster weit hinauszulehnen
  • heißt mich mit offenen Armen zu überlassen
  • heißt die Trittsteine im Wasser nicht zu sehen und trotzdem zu gehen
  • heißt, einen dunklen Weg zu gehen ohne Angst
  • heißt loszulassen, was mich festhält
  • heißt mutig ins Ungewisse zu springen

Vertrauen
ist gefährdet
wird missbraucht
ist brüchig
ist dünn
ist riskant „Vertrauen“ weiterlesen

Mein Raum

Ins kalte Wasser springen
und es ist tief und weit.
Springen und fliegen,
getragen werden und mich fallen lassen.
Kräftige Schwimmzüge
bringen mich voran.

Da bin ich.
Das ist mein Raum.
Das ganze Meer
mit seinen Abgründen und Tiefen,
mit seiner Dunkelheit
und den glitzernden Wellen
auf der Oberfläche.
Ein einzelner Wassertropfen
und die starke Welle,
warm an der Oberfläche,
tief und kalt ganz unten.

Der Wal
schwimmt im Haifischbecken.
Es ist zu klein,
er gehört nicht dorthin.
Nicht vor und nicht zurück.
Was macht die Bahn frei?
Wie springt er in die Tiefe?
Er braucht so viel Platz,
soviel Raum für sich.

Flutscht durch den dunklen Schlund
schnell,
gleitet in das Meer aus Liebe,
strandet im groben Kies,
angespült,
ausgespiehen vom großen Meer,
allein zurückgelassen.
Er braucht Hilfe,
ist allein. „Mein Raum“ weiterlesen

Aufblühen

Wenn das Beste in mir leben würde,
würde ich fliegen.

Wenn das Beste in mir leben würde,
wäre Hoffnung meine Nahrung.

Wenn das Beste in mir leben würde,
wäre Vielfalt mein Reichtum.

Wenn das Beste in mir leben würde,
wäre meine Stärke erwünscht.

Wenn das Beste in mir leben würde,
strahlte das Glück aus allen Poren.

Wenn das Beste in mir leben würde,
würden Hunde mich küssen.

Wenn das Beste in mir leben würde,
badete ich in einem See voller Sehnsucht.

Wenn das Beste in mir leben würde,
wäre Großes groß und Kleines klein.

Wenn das Beste in mir leben würde,
wäre ich frei zu lieben und zu geben.

Wenn das Beste in mir leben würde,
stehe ich auf der Bühne ohne Angst.

Wenn das Beste in mir leben würde,
singe ich das Lied meines Lebens mit kraftvollem Klang.

Wenn das Beste in mir leben würde,
wäre ich zart und stark zugleich.

Wenn das Beste in mir leben würde,
wäre immer jetzt.

Wenn das Beste in mir lebt,
bin ich ganz heil.

 

Focusing-Sommerschule Juli 2018

 

 

 

 

 

Wenn die Angst vergeht

Noch ein Schreibimpuls aus Hannas Schreibwerkstatt

Stell dir vor
du hättest keine Angst mehr
vor nichts und vor niemandem

 

Wenn ich keine Angst mehr hätte
würde ich tief Luft holen und
losgehen

Wenn ich keine Angst mehr hätte
würde ich es wagen
rauszugehen

Wenn ich keine Angst mehr hätte
würde ich mich zeigen
so wie ich bin

Wenn ich keine Angst mehr hätte
wäre der Mut meine Freundin und
Schutz nicht mehr nötig

Wenn ich keine Angst mehr hätte
wäre ich vor nichts mehr sicher
furchtlos

Wenn ich keine Angst mehr hätte
würde ich mutig losgehen
mit dem Kopf durch die Wand

Wenn ich keine Angst mehr hätte
würde ich über mich hinauswachsen
groß und größer werden

Wenn ich keine Angst mehr hätte
wäre ich unangreifbar und
verletzlich zugleich

Wenn ich keine Angst mehr hätte
könnte ich die Ängstlichen nicht mehr verstehen
weil ich ihre Gefühle nicht kennte

Wenn ich keine Angst mehr hätte
würde ich die Gefahren nicht mehr sehen und
blindlinks ins Unglück stürzen

Wenn ich keine Angst mehr hätte
würde das Leben wie ein weites, offenes Feld
vor mir liegen –
frei.