Innehalten

Das Tal ist durchschritten.
Es geht wieder aufwärts.

Ein Tal
von vielen Tälern.
Im Tal fließt doch das Wasser,
im Tal blühen die Blumen,
im Tal wohnen die Menschen.
Warum sollte ich auf den Berg steigen?

Der nächste Berg.
Er steht schon vor mir.
Warum ist aufwärts gehen so positiv besetzt?
Aufwärts gehen ist anstrengend!
Die Last liegt auf meinen Schultern.
Wie leicht kann das Gepäck sein?
Was lasse ich im Tal?
Welche Wegzehrung benötige ich?

Mich nehme ich mit.
Das ist Last genug.
Und Lust genug,
Kraft genug,
Ausdauer genug.

Mir vertrauen.
Vertrauen in den Aufstieg.
Oben wartet die Aussicht.
Gipfelerlebnisse
sind nicht alltäglich.
Nicht jeder Aufstieg
wird mit einem Ausblick belohnt.

Manches ist nicht der Mühe wert.
Woher weiß ich das vorher?
Welche Mühe lohnt sich?
Reicht nicht das Gehen?

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Nur für heute

Nur für heute
möchte ich dem Drang widerstehen
mich zu verzetteln.

Nur für heute
möchte ich mein Tempo finden
und mich nicht antreiben.

Nur für heute
möchte ich loslassen,
was mich von mir wegzieht.

Nur für heute
möchte ich dableiben,
statt aufzustehen und wegzulaufen.

Nur für heute
möchte ich mich neben die Angst setzen,
warten, bis sie spricht.

Nur für heute
möchte ich erleben,
dass Verletzlichkeit
wirklich stark macht.

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Zögern

Aufhören zu suchen ohne zu finden.
Nicht länger zögern ohne loszugehen.
Es gibt kein Verharren
Es gibt keinen Stillstand
Es gibt keine Stabilität
Aber es gibt Schutz
Mein Inneres ist geschützt
Ich vertraue mir
Ich höre auf, mir zu misstrauen
Niemand greift mich an.
Ich bin frei
Maximal frei
Und doch begrenze ich mich
Meine Angst begrenzt mich

In der Welt habt Ihr Angst,
aber siehe, ich habe die Welt überwunden.

Die Welt ist überwunden
Die Angst ist noch da
Wie kann ich die Angst überwinden?
Die Frage nach dem Zögern
Wie kann es für meine Reise nützlich sein?
Was lässt mich zögern?

Zögern… noch nicht
Was ist das Zögern?
Zögern als Raum für neue Möglichkeiten
Im Zögern bleiben und den Raum öffnen
Das Zögern öffnet einen Raum
Wie ist es in diesem Raum zu sein?
Welche Begrenzungen erlebe ich in dem Raum?
Eröffnen die Begrenzungen etwas?
Oder engen sie ein?
Welche neuen Wege werden durch die Begrenzung sichtbar?
Wage ich mich in den offenen Möglichkeitsraum?

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leuchten

Ein Engelsflügelschlag der Hoffnung
ein Fenster öffnet sich
in die Tiefe
Hier hinter dem Hintergrund
liegt die Stille
das Sein
nackt und bloß
ungeschützt und unverhüllt
verbunden

Wie zerbrechlich ist das Vertrauen
wie viel Schutz braucht
das schimmernde Herz
den Zuspruch, dass
der glimmende Docht
nicht ausgelöscht wird
sondern nur ein Funke
ausreicht um
ein Feuer zu entfachen
das leuchtet
von selbst
das Dunkel erhellt

Licht bringt
Luft und
frischer Atem
Leben
Lebensatem
ein Geschenk
einfach so
fast selbstverständlich
und doch
unendlich kostbar
einzigartig
nur für mich

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Komm

Dies ist für alle Kinder, auch die inneren, wenn sie sich verloren, traurig, beschämt, verletzt und einsam fühlen.

Komm und berge dich

Komm an meine Hand
ich begleite dich.

Komm in meine Arme
ich halte dich.

Komm an meine Brust
ich nähre und wärme dich.

Komm auf meinen Schoß
bei mir bist du sicher.

Komm lehn dich an
ich streichle dich.

Komm und weine
ich tröste dich.

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Dankbarkeit

Dankbarkeit in Zeiten von Corona – das klingt wie Schlittschuhlaufen im Hochsommer. Es ist unmöglich. Die Rahmenbedingungen stimmen nicht. Es ist nicht die Jahreszeit für Dankbarkeit. Es gibt derzeit Momente – und manchmal reihen sich die Momente so lange aneinander, dass ein Tag daraus wird -, in denen ich diesem Sog nachgebe, der mich in Pessimismus und Angst hineinzieht und mir die Sicht auf vieles verstellt, was in meinem Leben auch noch da ist. Diesem Sog ein fröhliches „Sei dankbar, für alles, was Du hast“ entgegenzustellen, ist zu einfach, ist Oberflächenkosmetik. Denn es ist ein bewusstes Durchleben der Dunkelheit, des Schmerzes, der Hilflosigkeit nötig, ja diese Empfindungen und Gedanken zulassen können und wahrnehmen, dass ich mich gerade so fühle und sie nicht verdränge. Ich kann sie dann als einen Teil von mir ansehen, der sich gerade so verloren oder … fühlt. Damit kann ich anerkennen, dass es da ist, und so auch ein wenig Abstand gewinnen. Ich BIN nicht diese Angst, dieser Schmerz, diese Hilflosigkeit, sondern EIN Teil von mir empfindet es gerade so. Und diesen Teil kann ich dann anschauen, ihn fragen, was er mir sagen möchte und was er braucht. Ich höre dabei auf meinen Körper, denn diese Teile sind eingewoben in eine ganze Geschichte, in einen Lebensfluss, der körperlich manifestiert ist. Vielleicht gibt es da einen Stop, den mein Körper erlebt hat, und der sich jetzt, wenn ich dabei bleibe, auflösen und einen neuen Weg der Fortsetzung im Lebenfluss bahnen kann. Das ist ein Schöpfungsgeschehen, es geschieht, ich überlasse mich vertrauensvoll dem sich öffnenden, sich entfaltenden Empfinden, so dass sich etwas Neues bahnbrechen kann. Ein Gefühl der Erleichterung tritt ein: Das Schwere wurde gesehen und wahrgenommen, und das dahinter, was leben will, konnte wieder freigelegt werden. Der Blick kann sich weiten. Auch wenn ich dem Empfinden von Angst und Hilflosigkeit immer wieder einen Platz in meinem Leben geben oder einräumen muss, so bin ich doch mehr als das.
Wenn ich mir dieses Mehr ansehe, ist da so vieles, wofür ich dankbar bin, auch in Zeiten von Corona.

Ich bin dankbar für den blauen Himmel im November.
Ich bin dankbar für unsere warme Wohnung.
Ich bin dankbar für meine Familie, mit der ich im Homeoffice zu Hause bin. Welch Gnade nicht allein zu sein.
Ich bin dankbar für meine Freundinnen und Freunde, mit denen ich auch jetzt Kontakt habe über das Telefon, Chats, Videotreffen, Briefe, E-Mails und Spaziergänge.
Ich bin dankbar für Musik, mein Klavier und den Spotify-Familien-Account.
Ich bin dankbar für unsere Katze, die von all dem scheinbar unberührt ist und doch sensibel jede Veränderung bemerkt.
Ich bin dankbar für Spaziergänge durch alle Jahreszeiten, die ich in diesem Jahr viel intensiver erlebt und genossen habe.
Ich bin dankbar für Küchentischgottesdienste, Communi-App und Wohnzimmer-Abendmahlsgemeinschaft.
Ich bin dankbar für digitale Morgenmeditationen und social-media-Abendsegen.
Ich bin dankbar für meine Arbeitsstelle, die mir eine sinnvolle Tätigkeit und existentielle Sicherheit gibt.
Ich bin dankbar für das Schreiben, das mir jeden Tag die Gelegenheit gibt, nachzudenken, bei mir zu sein, neue Gedanken zu entwickeln, Erlebtes zu verarbeiten und mich inspiriert.
Ich bin dankbar für Pressefreiheit und parlamentarische Demokratie in unserem Land.
Ich bin dankbar für eine umsichtige Regierung, die eingesteht, dass sie auf Sicht fährt.
Ich bin dankbar für unser Gesundheitssystem und danke allen, die sich hier engagiert und oft über die eigenen Kräfte hinaus einsetzen.

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Sternschnuppennächte*

Ich liege im Gras auf dem Grundstück meiner Kindheit und lasse mich von Sternschnuppen beregnen. Soooo viele Wünsche!

Weißt Du, wie viel Sternlein stehen
an dem blauen Himmelszelt?
Weißt Du wie viel Wolken gehen
weithin über alle Welt.
Gott, der Herr, hat sie gezählet,
dass ihm auch nicht, eines fehlet
an der ganzen großen Zahl,
an der ganzen großen Zahl.

Dabei stechen mich die Mücken, die durch die laue Sommernacht schwirren.

Weißt Du wie viel Mücklein spielen
in der heißen Sonnenglut?
Weißt Du  wie viel Fischlein auch sich kühlen
in der hellen Wellenflut?
Gott, der Herr, rief sie mit Namen,
dass sie all ins Leben kamen,
dass sie nun so frühlich sind,
dass sie nun so frühlich sind.

Ich übernachte in dem Zimmer meiner Kindheit, vieles ist vertraut, vieles hat sich geändert.

Weißt Du wie viel Kinder frühe
stehn aus ihrem Bette auf,
dass sie ohne Sorg und Mühe
fröhlich sind im Tageslauf?
Gott im Himmel hat an allen
seine Lust, sein Wohlgefallen;
kennt auch dich und hat dich lieb,
kennt auch dich und hat dich lieb.

Ein Gute-Nacht-Lied meiner Kindheit.

Wer singt es mir heute?

 

* Um meinen Geburtstag herum haben immer die Perseiden Saison.

 

Photo by Michał Mancewicz on Unsplash

 

 

 

 

Photo by Michał Mancewicz on Unsplash

Homeoffice

Seit Dienstag sind wir alle zu Hause: Homeoffice. Nicht mehr nach CoWorking-Spaces suchen, sondern die Mit-Arbeiter gleich auf dem heimischen Sofa finden.Und nach 3 Tagen hat sich auch die Katze daran gewöhnt, dass wir alle tagsüber zu Hause sind, und wieder ihren gewohnten Platz eingenommen.

Katze auf der Fensterbank by CHenkel
Katze auf der Fensterbank by CHenkel

Wir sind in einer privilegierten Situation: Wir können von zu Hause arbeiten. Wir haben dafür (fast) alles, was wir brauchen. Und dennoch schaffe ich weniger denn je, bin unkonzentriert, abgelenkt. Mein Energietank, der sonst durch Bewegung, Kontakt mit Menschen und Kreativität genährt wird, läuft langsam leer. Dabei warten hier mindestens 3 Schreibblockaden, äh nein: Blogparaden (z.B. Schipseljagd, Lernwelten 2030 oder eindeutig-uneindeutig) und zwei Schreibexperimente auf Texte von mir, ein Artikel ist angemeldet und natürlich will die Lehre weiter vorbereitet werden, jetzt zusätzlich als digitale Version. Stattdessen vergehen die Tage  – ja, womit eigentlich? Ich beobachte einen Rückzug zu den Basics: Ist genug zu Essen im Haus? Was koche ich heute? Die immer leerer werdenden Regale im Supermarkt gehen nicht spurlos an mir vorüber. Meine Gedanken fahren Achterbahn. Wie wird es mir ergehen, wenn die Versorgungslage sich zuspitzt? Was werde ich tun, wenn meine Familie betroffen sein wird, wenn ich selbst krank werde? Wenn wir gar nicht mehr raus dürfen? Alles ist so irreal!

Ich bin froh über die Struktur, die mir angeboten wird. Z.B. durch unseren Pastor, der Morgen- und Abendandachten per Videokonferenz anbietet: Ein kurzer Austausch, ein Impluls zur Tageslosung und dann eine angeleitete Meditation. So habe ich einen guten Start in den Tag, weil ich schon Menschen gesehen und gesprochen habe und mich auf Gott ausgerichtet habe. Mir gehen so viele Gedanken durch den Kopf, aber bisher schreibe ich kein einziges Wort. Außer in Mails und Nachrichten an meine Familie, meine Freund:innen, meine Kollegen. Stattdessen male ich. Zentangles. Eine Idee, die ich schon länger verfolgt, aber noch nicht verwirklicht hatte. Aber dann habe ich Anfang März Heike getroffen, die mir daraufhin ein Starterpaket zugeschickt hat, mit dem ich dann gleich losgelegt habe. Das Ergebnis seht Ihr im Titelbild. Zentangeln ist meditatives Malen, es beruhigt mich und es macht Spaß und das Ergebnis ist schön! So gewinne ich ein wenig Ruhe, ein wenig Kreativität und damit Energie zurück.

Mit diesem Post trete ich wieder ein wenig in die Welt. Wie schön, dass Schreiben jetzt mehr denn je gefragt ist. Ich wünsche mir mehr denn je, dass mein Schreiben keine Einbahnstraße bleibt, sondern auf Resonanz stößt, die sich wiederum in Reaktionen ausdrückt. Daher zum Schluss eine Liste zum Fortschreiben oder neu ansetzen:

Was mir Energie gibt:

  • der Blick auf die sprießenden Knopsen des Pflaumenbaums
  • der frische Obstsalat
  • die Nachricht einer Freundin: Wie war Dein Tag?
  • die Begegnungen Online
  • das Gespräch am Telefon
  • das Kochen eines leckeren Essens
  • der ermutigende Newsletter
  • das Foto, das mich zum Lachen bringt
  • die Meditation am Morgen

Was gibt Dir in diesen Tagen Energie?

 

Alltagsbeobachterin

Ich bin formschön gestaltet. Aus Metall. Bronzefarben erstrahle ich, wenn das Licht auf mich fällt. Meine Oberfläche ist glatt und kühl. Rund bin ich zu einer Schale geformt. Meistens bin ich still, warte ab. Ich kann ganz geduldig sein. Ich nehme einfach wahr. Ich nehme auf, was um mich herum passiert. Es ist, als ob ich aus einem großen Ohr bestünde. Und dann, wenn jemand mich berührt, kurz und schwungvoll, entfalte ich meinen Klang! Aus der Tiefe meines Körpers kommt der Ton, facettenreich, angereichert mit hohen und tiefen Anteilen. Sehr rein, klar. Erst laut, der Ton klingt lange nach und schwingt und summt und verhallt. Ich vibriere, mein ganzer Körper erzittert wohlig. Wenn Klang und Bewegung verebbt sind, bin ich wieder still, aufmerksam, gelassen, ruhe auf meinem Kissen. Halte inne und horche hin, was um mich herum geschieht.

Still
verharre ich
Warte auf den
Moment des schwungvollen Anschlags
Erregt

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Zeitumstellung – Zeitenwende

Diese Nacht ist eine Stunde länger, eine geschenkte Stunde – auch wenn das natürlich eine Illusion ist, denn wer sollte mir eine Stunde meines Lebens schenken? Jede Stunde, jede Minute, jeder Moment ist ein Geschenk. Ich darf atmen, ich darf leben.

Was bemerke ich, wenn ich jeden Moment bewusst wahrnehme? Meinen Körper, meinen Atem, ich beobachte meine Gedanken, bemerke meine Umgebung, höre die Musik und Geräusche, sehe die Details im Raum, meine Katze, spüre Wärme in meinen Händen und Verspannung in meinen Schultern.

Ich bin. Jetzt.

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